Es ist Freitag, 8:02 Uhr.
Ich treffe an meinem Arbeitsplatz ein. Computer hochfahren, Hände waschen (COVID-19 halt), Kaffee holen und dann zuerst mal den Posteingang checken. Dies muss ich momentan etwas öfters tun, denn gemäss ALM Planung (Application Lifecycle Management) bin ich diese und nächste Woche als Bereitschafts-Support für “meine” Projekte eingeplant.
Was heisst das? Sobald ein Softwareprojekt in den produktiven Betrieb übergeht, muss natürlich der Support gegenüber den Kunden sichergestellt werden. Ich will hier ganz offen sein – auch unsere Software kann Fehler enthalten. Es können beispielsweise betriebliche Probleme auftreten. Wobei dies bei Edorex natürlich nur im absoluten Ausnahmefall vorkommt . Aus diesem und noch weiteren Gründen wird ein sogenannter ALM-Wartungsvertrag zwischen dem jeweiligen Kunden und der Edorex unterzeichnet. Damit sind wir verpflichtet, innerhalb einer definierten Zeit auf Probleme und Fragen zu reagieren und unsere Kunden zu unterstützen. Für uns Entwickler heisst dies, dass wir in regelmässigen Abständen Support Bereitschaft für die von uns realisierten Projekte leisten müssen.
Nun aber zurück zu meinem Posteingang. Glücklicherweise habe ich nur zwei neue Mails erhalten. Das erste ist eine unwichtige Info, also gleich weg damit. Das zweite hingegen scheint wichtig zu sein.
Es ist eine Supportanfrage von heute 7:35 Uhr aus Projekt X
Herr M. kann ein Dokument nicht mehr hochladen, sollte dies aber bis spätestens Montag erledigt haben. Da der 1st-Level Support auf Seite des Kunden auch nicht weiterhelfen kann, leitet er seine Supportanfrage weiter an projekt-x@edorex.ch und schildert dort sein Problem. Unser 2nd-Level nimmt die Supportanfrage entgegen, prüft sie und erstellt dann umgehend ein JIRA Ticket, welches mir zugewiesen wird. JIRA ist eine Projektmanagement-Software für Teams. JIRA generiert dann ein Mail an mich, damit dieses Ticket nicht irgendwo ungelesen untergeht. Zum Glück bin ich noch nicht in meine ursprünglich für heute geplante Programmiertätigkeit eingestiegen, so fällt es mir leichter, mich direkt diesem Problem anzunehmen. Ich ändere den Status des Tickets auf ‘In Bearbeitung’ und beginne mit der Analyse. Nach kurzer Zeit kann ich die Ursache ausfindig machen. Zum Beheben des Problems ist jedoch eine Anpassung auf der Datenbank notwendig. Leider habe ich keinen direkten Zugriff darauf, da die Software bei einem externen Betreiber gehostet wird. Ich schreibe also ein kleines Skript und teste dies zuerst in unserer Testumgebung. Markus, mein Teamkollege, wirft ebenfalls noch einen kritischen Blick auf das Skript. Nachdem wir sicher sind, dass das Skript auch wirklich das Richtige macht, nehme ich mit dem Betreiber der Software Kontakt auf und sende ihm das Skript mit der Bitte, diese Anfrage möglichst rasch und mit hoher Priorität zu behandeln. Man spricht hierbei auch von Hotfix, denn der Fehler beeinträchtigt den produktiven Betrieb und sollte schnellstmöglich behoben werden.
Es ist jetzt 9:35 Uhr.
Da der Betreiber auch seine Zeit braucht, um den Hotfix zu installieren, starte ich in der Zwischenzeit schon mal mit meiner geplanten Arbeit für heute. Glücklicherweise reagiert der Betreiber schnell.
Ich erhalte schon um 10:15 Uhr die Nachricht, dass der Hotfix erfolgreich auf dem Produktivsystem installiert wurde.
Weil Herr M. froh um eine rasche Rückmeldung ist, rufe ich ihn umgehend an und informiere ihn darüber, dass der Fehler behoben ist und er das Dokument nun hochladen kann. Herr M. testet dies gleich, und siehe da, es klappt. Zufrieden kann er weiterarbeiten. Ich buche den Aufwand zum Beheben des Problems direkt auf das JIRA Ticket, checke das Skript mit den Codeänderungen in unserem Versionsverwaltungssystem und schliesse das Ticket. Danach bleibt es still, und ich kann ungestört meine geplante Arbeit erledigen. Ich komme gut voran. Kann ich heute möglicherweise schon früher ins Wochenende gehen?
Es ist jetzt 15:00 Uhr
Ich bin gut vorangekommen und konnte meine Arbeit frühzeitig abschliessen und so fahre ich meinen Computer runter. Gerade als ich aus dem Büro laufen will, erhalte ich eine SMS von Elmar, unserem 2nd-Level Supporter. Da ich Freitagnachmittags teilweise nicht im Büro bin, erhalte ich zusätzlich zum Mail auch noch eine SMS. Es geht um ein Problem im Projekt Y. Es scheint dringend zu sein, und so fahre ich – leicht angesäuert, dass ich nun doch nicht früher ins Wochenende abzischen kann – meinen Computer wieder hoch. Da es dringend ist, rufe ich Frau B. direkt per Telefon an. Nach kurzer Diskussion stellt sich heraus, dass es sich lediglich um ein Verständnisproblem bzgl. Workflow handelt. Die Software funktioniert eigentlich korrekt und so kann Frau B. nach meiner Erklärung weiter arbeiten. Frau B. bringt ihrerseits noch einen sinnvollen Verbesserungsvorschlag ein, wie man den Workflow noch etwas vereinfachen könnte, und so erfasse ich noch rasch einen Change Request im Product Backlog von Projekt Y. In zwei Monaten wird ja eh ein neuer Release entwickelt und so können wir diesen CR gleich mit einfliessen lassen.
Es ist jetzt 15:32 Uhr.
Ich fahre meinen Computer ein zweites Mal herunter und verabschiede mich endgültig ins mittlerweile hoch verdiente Wochenende.