Frauen und Informatik (IT)
Frauen sind nach wie vor in vielen technischen Bereichen unterrepräsentiert. Gleichzeitig herrscht gerade auch in der IT seit Jahren der bekannte Fachkräftemangel. Diese Berufe sind stark nachgefragt – jetzt und auch in Zukunft. Wie können wir Berührungsängste mit technischen Berufen abbauen? Was können wir als Unternehmen machen, um mehr weibliche Fachkräfte zu bekommen? Müssen wir lediglich die richtigen Arbeitsbedingungen schaffen? Reicht das?
Wer kann uns das beantworten? Eine Frau? Nein, wir fragen unseren UX-Designer Matthias Feusi. Im Rahmen seines Psychologiestudiums hat er sich intensiv mit dem Thema “Frauen in die IT” beschäftigt. Er ist also ein bisschen der Frauenversteher bei Edorex .
Wir fragen Matt
Matt, gibt es wirklich so wenig Frauen in der IT?
Das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in IT-Unternehmen ist ziemlich bekannt. In der Schweiz liegt der Frauenanteil in IT-Berufen bei rund 15 Prozent, was ich ziemlich tief finde. Wenn man bei uns durchs Büro läuft, bestätigt sich dieser Eindruck leider. Neben dem Fachkräftemangel spielt das Thema Diversität eine wichtige Rolle. So wurde beispielsweise erwiesen, dass heterogene Teams im Vergleich zu homogenen Teams aufgrund der besseren funktionalen Diversität diese in Leistung übertreffen. Ausserdem entwickeln wir Software für Menschen, nicht nur für Männer. Deshalb tut es uns gut, wenn in Entwicklungsprojekten auch Frauen involviert sind.
Können wir als Edorex etwas tun, um die Attraktivität für Frauen zu steigern?
Ich denke, die Firma Edorex ist als Arbeitgeberin grundsätzlich bereits heute attraktiv. Dennoch können wir sicher noch einiges dafür tun, um insbesondere für Frauen noch attraktiver zu werden. Benefits wie Teilzeitarbeitsmodelle, Flexibilität und Home-Office spielen hier eine wichtige Rolle. Anhand von 15 Interviews, die ich im Rahmen meiner Arbeit mit Frauen, die in der IT arbeiten, durchgeführt haben, stellte ich aber fest, dass insbesondere das Image der IT ein grösseres Problem zu sein scheint. Oder genauer gesagt, die Vorstellung davon, die durch die Stereotypisierung in Film und TV der Hacker mit Sturmmaske oder Nerds mit Hornbrille kultiviert wurde. Die Realität sieht dabei natürlich meistens ganz anders aus.
Was tut Edorex, damit sich mehr Frauen bewerben?
Wir achten auf jeden Fall darauf, wie wir unsere Stellenausschreibungen formulieren. Damit habe ich mich im Studium ziemlich intensiv beschäftigt und viele Stolpersteine identifiziert. Die Sprache spielt eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, ob sich eine Frau angesprochen fühlt. Zudem gibt es Attribute wie «analytisch» welche stereotypisch eher Männern zugesprochen werden, wie «Empathie» eher Frauen zugesprochen wird. Hier muss man vorsichtig sein, kritisch prüfen und ein gutes Verhältnis schaffen. Ansetzen müsste man aus meiner Sicht aber noch viel früher. Die Berufswahlentscheide werden oft durch Familie und Freunde sowie Lehrpersonen und Berufsberater*innen beeinflusst. Diese beziehen sich oft auf veraltete und wenig attraktive Vorstellungen des IT-Berufsfeldes. Wir engagieren uns beispielsweise an Berufswahlmessen und mit der Teilnahme am Zukunftstag, bei welchem wir exklusiv den Mädchen einen spannenden Einblick in die vielseitigen Aufgaben der IT geben.
In welchem Alter müssten Mädchen motiviert werden, sich auch für die IT-Branche zu interessieren? Wer wäre dafür verantwortlich?
Stereotypen werden sehr früh festgelegt. Da passiert bereits im Kindergarten sehr viel und wird auch noch durch genderspezifische Spielsachen gefördert. Das trägt dann in der Summe auch dazu, dass viele Kinder geschlechtertypische Berufe spannend finden. Gerade hier spielen Vorbilder eine wichtige Rolle. Leute, die vorleben, dass eben auch Mädchen Pilotinnen werden können und Pflegeberufe auch für Jungs spannend sein können. Genau in der IT spielt das Geschlecht absolut keine Rolle. Ausserdem gehe ich davon aus, dass Berufsleute in der IT auch in Zukunft noch sehr gefragt sind, also bewerbt euch .
Welche Berufe in der IT sind überhaupt für Frauen geeignet? Bringen Männer nicht vielleicht bessere Voraussetzungen mit, da sie ein logischeres Denken besitzen?
Die Differentielle und Persönlichkeitspsychologie setzt sich mit interindividuellen Unterschieden auseinander. In neuen Studien können keine Geschlechtsunterschiede in den allgemeinen kognitiven Fähigkeiten festgestellt werden. So sind beispielsweise auch die durchschnittlichen IQ Werte von Frauen und Männern gleich. Ob also jemand für einen Beruf in der IT geeignet ist, hängt von den individuellen Fähigkeiten und nicht vom Geschlecht ab. Bei Frauen kann aber hier insbesondere der «steroetype threat» eine Rolle spielen. So fallen beispielsweise die Resultate von Mathematiktests von Mädchen, denen zuvor erklärt wurde, dass Mädchen schlechter rechnen können, tatsächlich schlechter aus.
Viele Frauen möchten irgendwann für eine gewisse Zeit Teilzeit arbeiten? Ist das in der IT überhaupt möglich?
Ich denke, da hat sich in der gesamten Branche in den letzten Jahren einiges bewegt. Aus meiner Sicht ist es heute bereits in vielen Rollen und Positionen möglich, in Teilzeit zu arbeiten. Dies ist aber nicht nur für Frauen ein wichtiges Kriterium, denn auch beispielsweise junge Väter wollen oft mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. Wird diese Flexibilität den Mitarbeitenden gewährt, danken die das oft mit Loyalität und Engagement. Bei Edorex wird Teilzeitarbeit bereits seit 20 Jahren angeboten und aktuell von etwa 50% der Mitarbeitenden auch genutzt. Weil sich die Mitarbeitenden in den Teams auch untereinander gut organisieren und absprechen funktioniert Teizeitarbeit in der IT wirklich sehr gut.
Fazit
Matt, merci für die Beantwortung der Fragen. Richtig spannend das Thema aus Sicht eines Mannes zu beleuchten. Aus Sicht Edorex können wir mit gutem Gefühl sagen, dass schon einiges gemacht wird, um auch Frauen für IT-Berufe zu gewinnen. Das Hauptproblem können wir allerdings nicht beheben. Das liegt wohl zu einem grossen Teil in der Sozialisierung und Erziehung der Kinder – und die Verantwortung dafür entsprechend im Umfeld von Lehrpersonen, Eltern und Vorbildern.