No-Code-Plattformen sind in letzter Zeit hoch im Kurs.
Kein Wunder, versprechen sie doch, mit wenig oder keinen Kenntnissen in der Softwareentwicklung eigene Anwendungen für die Digitalisierung zu erstellen. No-Code und die eng verwandten Low-Code-Tools sind darauf ausgelegt, den Prozess für die Anwendungsentwicklung grafischer Benutzeroberflächen und Apps stark zu beschleunigen. Das Versprechen: Apps mit wenig Aufwand und zu geringen Kosten erstellen und die vorhandenen Daten und Informationen effektiver nutzen – ganz ohne Programmier-Kenntnisse oder professionelle Programmier-Dienstleistung. Profitieren können sollen vor allem Kleinunternehmern und Freiberufler, aber auch agile Teams in grösseren Unternehmen.
Was ist No-Code resp. Low-Code?
Ein No-Code-Tool ist im Prinzip ein Werkzeug zum Erstellen von Prototypen bis zu fertigen Anwendungen, das nicht über eine herkömmliche Programmierung erfolgt, sondern über eine grafische Benutzeroberfläche. Ein benutzerfreundliches Interface ermöglicht es, Funktionen zu aktivieren und zu bearbeiten, ohne dass Programmierkenntnisse erforderlich sind.
«No-Code-Plattformen werden, im Gegensatz zur traditionellen IT, oft mit dem Fokus auf die Anwender aus der Branche entwickelt.Diese Verlagerung des Fokus soll dazu beitragen, den Entwicklungszyklus zu beschleunigen, Geld zu sparen und knappe Ressourcen in der Softwareentwicklung zu umgehen. Dadurch wird es möglich digitale Geschäftsstrategie in einem schnellen Entwicklungsprozess umzusetzen.»
(Quelle Wikipedia)
Low-Code und No-Code unterscheiden sich durch die Funktionalität, welche die jeweilige Plattform bietet. Am ehesten lassen sich die Plattformen anhand der Art der Endbenutzer unterscheiden. Während sich No-Code-Tools an Endbenutzer richten, die wenige bis keine Programmier- und UX-Design-Kenntnisse haben, richten sich Low-Code-Tools an Endbenutzer mit Kenntnissen in Programmiersprachen. Low-Code-Plattformen bieten eine grössere Flexibilität, weil beispielsweise ein «zusammengeklicktes» Modell durch eigenen, handgeschriebenen Code erweitert werden kann.
Welche Tools und Plattformen gib es?
Der Markt der No-Code- und Low-Code-Tools ist gross. Es würde den Rahmen dieses Blogbeitrages sprengen, hier nun eine Liste mit einer aktuellen Marktübersicht aufzuführen. Zudem ist der Markt starken Schwankungen ausgesetzt. Auf der Seite NoCode.Tech befindet sich eine kuratierte Übersicht der aktuellen Tools und Plattformen mit praktischer Einteilung in die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten.
Welche Erfahrungen hat Edorex mit No-Code und Low-Code?
Bei Edorex verwenden wir je nach Anwendungsbereich spezifische No-Code- oder Low-Code-Tools. Ausschlaggebend für den Einsatz der entsprechenden Plattform sind die Ziele, die in einem Projekt erreicht und welche Probleme gelöst werden sollen. Im Rahmen von Design Thinking Workshops, Design Sprints und der Softwareentwicklung setzen wir die Design-Plattform Figma ein. Damit können wir sehr schnell navigier- und klickbare Prototypen bauen, um sie anschliessend mit Anwenderinnen und Anwendern zu testen. Diese Figma-Prototypen sind animierbar, wie gesagt navigierbar und vermögen der Anwenderin einen sehr guten Eindruck davon zu geben, wie die angedachte Lösung dereinst aussehen wird. Was Figma nicht kann, sind Datenerfassung und Datenzugriffe auf Tabellen oder Datenbanken. Dafür kann das mit Figma erstelle UX-Design für den Bau der Anwendung durchgängig weiterverwendet werden, durch geeignete Plugins kann Figma mit No-Code-Fähigkeiten erweitert werden.
Ein solches Tool ist beispielsweise Bravo Studio, welches einen Figma-Prototyp mit «echten» Daten via API (Application Programming Interface) ergänzen kann. Auf diese Weise können einfache Anwendungen (beispielsweise eine digitale Spesenabrechnung) auf breiterer Front getestet werden, als dies mit dem einfachen Prototyp möglich ist. Die eingegebenen Daten liegen strukturiert in Tabellen wie Airtable oder Google Spreadsheets vor und können auf diese Weise einfach in andere Anwendungen importiert werden, gehen also nicht verloren. Die Erfahrungen der Nutzergruppe mit einer derartigen No-Code-Lösung können systematisch gesammelt und dazu verwendet werden, die «richtige» Anwendung später optimal zu designen. Viele dieser Tools lassen sich als Webapp/Webseite nutzen oder erlauben es sogar, das Resultat als App in die Stores exportieren.
Damit wir in diesen UX-Prozessen noch schneller und effizienter sind, haben wir Figma für uns so konfiguriert, dass wir eine sehr hohe Durchgängigkeit und Automatisierung zwischen UX-Design und Anwendungsentwicklung erreichen. Ein wesentlicher Teil davon ist unser «Blueprint» genanntes Anwendungsentwicklungs-System. Ohne allzufest ins Detail zu gehen: Unser Blueprint ist eine Mischung aus direkt einsetzbaren Libraries und Cloud-Services, individueller Softwareentwicklung (Codieren) und Low-Code-Bestandteilen. Basieren tut alles auf einer professionellen, cloudbasierten und skalierbaren Softwarearchitektur. Um bei dem Beispiel der digitalisierten Spesenabrechnung zu bleiben: alleine dafür ist unser Blueprint zu mächtig. Wenn es aber zum Vornherein klar ist, dass diese Spesenabrechnung ein MVP ist und später mit vielen weiteren Funktionen ausgebaut und in bestehende Ökosysteme eingebunden werden soll, macht die Verwendung unseres Blueprint anstelle der No-Code-Lösung sehr viel Sinn.
Fazit
Der Traum, Software einfach durch Zusammenklicken oder anhand gezeichneter Modelle generieren zu lassen, ist alt. Früher hiessen diese Versuche beispielsweise CASE (Computer Aided Software Engineering), 4GL oder RAD (Rapid Application Development). No-Code und Low-Code haben jedoch eine ganz andere Qualität. Dank der heutzutage sehr hohen verfügbaren Rechenleistung und Bandbreiten sind Anwendungen per Point & Click möglich, die vor einigen Jahren noch erhebliches Kopfzerbrechen gefordert hätten. «Schnell» eine Idee mithilfe eines Prototyps oder einer vollständigen No-Code-Lösung zu bauen und zu testen, ist dank der unglaublichen Menge an Tools und Plattformen (Adalo, Betty Blocks, Bubble.io, Google Docs/Glide, IFTTT, Zapier, Integromat, etc.) einfacher denn je. Die grösste Hürde ist vermutlich, das für seine Zwecke optimal passende Tool zu finden.
Ist das Tempo eher zweirangig, stehen dafür Ausbaufähigkeit, Flexibilität, Qualität, Sicherheit, Integration, Datenhoheit und Zukunftssicherheit an vorderster Front, kommt man mit reinen No-Code- oder Low-Code-Plattformen nicht weit. Die optimale Mischung und Verbindung aus No-Code-Tools, handgeschriebenem Code und Services aus der Cloud im gesamten Lebenszyklus der Software ist das beste Rezept für lange Lebensdauer, Ausbau- und Anpassungsfähigkeit.
Und um auf die Frage im Titel zurückzukommen: Nein, No-Code und Low-Code machen Softwareentwicklerinnen und -entwickler nicht überflüssig – ganz im Gegenteil. Denn in der Digitalisierung stehen wir erst am Anfang, es gibt noch sehr, sehr viel zu tun. Wir können das nur bewältigen, wenn die verschiedenen Lösungsansätze Hand in Hand zusammenarbeiten und jeder unnötige Prozessschritt, Medienbruch, Papierkram eliminiert werden kann.