Eine gestandene Softwarefirma mit Wurzeln in den 80er Jahren innerhalb kurzer Zeit vollständig agil zu machen, erfordert einige Anstrengungen. Den Schalter umlegen und enthusiastisch verkünden, dass wir «ab jetzt agil» sind, entlockt den Mitarbeitenden höchstens ein müdes Lächeln ganz nach dem Motto «Das Management war halt wiedermal in einem Seminar».
Eine Firma wie Edorex agil zu machen ist vielmehr eine Transformation, der sich niemand entziehen kann. Das Transformationsprojekt «edorex goes agile» wurde im letzten Jahr durchgeführt und abgeschlossen. In der täglichen Umsetzung im Tagesgeschäft stellten wir fest, dass abhängig von den Möglichkeiten die agilen Methoden in der Praxis einzusetzen, der Ausbildungsstand und das Verständnis der Agilität noch nicht flächendeckend gefestigt ist. Nebst internen Massnahmen wie Coaching und gezielte Teambildung beschlossen wir, eine breit angelegte Ausbildungsoffensive für die ganze Firma zu starten.
Mit Agilisten basteln
Die beiden Agilisten Thomas Haas und Jiri Lundak nahmen die Herausforderung an, eine flächendeckende Schulung für das ganz breite Spektrum vom agilen Anfänger bis zum erfahrenen agilen Vorreiter zu entwerfen und durchzuführen. Beim ersten Kurstag – von dem ist in diesem Blogpost die Rede – ging es in erster Linie darum, bei allen Beteiligten ein gemeinsames Verständnis der Agilität zu schaffen.
Zu diesem Zweck schleppten Tom und Jiri stapelweise Papier, Kisten voller Post-It Zettel, Stifte, Leim, Scheren, Knetmasse und weiteres Bastelmaterial in den schönen, lichtdurchfluteten Schulungsraum im INFORAMA Rütti bei Zollikofen. Nach allgemeiner Einführung und bevor die versammelte Schar auf das Bastelmaterial losgelassen wurde, mussten gut durchmischte Teams gebildet werden. Rollen wie Scrum Master und Product Owner wurden dabei zufällig zugeordnet – Erfahrungen aus Projekten zählte für einmal nichts.
Die Aufgabe schien klar zu sein: Mehrere Teams mit unterschiedlichen Zuständigkeiten mussten innert weniger Stunden gemeinsam eine mittelalterliche Stadt dreidimensional aufbauen. Ein Team war für die Strassen zuständig, eines für das Territorium, ein anderes für die öffentliche Sicherheit und Gesundheit, ein weiteres für Ernährung und Landwirtschaft oder für Märkte und Unterhaltung.
Turmbau zu Babel
Schon nach den ersten Sprints war klar, dass die Teams untereinander die Kommunikation verbessern mussten. Zwar hatten alle Teams Ergebnisse geliefert, die in Anbetracht der kurzen Zeit als passabel betrachtet werden konnten, doch war leider der Massstab unter den Teams nicht abgestimmt. So waren die einen Gebäude viel zu gross für das Territorium, die anderen zu zweidimensional, dritte vorderhand nur als Text vorhanden.
Also musste Kommunikation verbessert werden, Regeln mussten rasch abgesprochen werden. Auf in den nächsten Sprint! Doch auch hier war noch bei weitem nicht alles perfekt. Die Product Owner hatten den Auftraggeber zwar befragt, aber schlicht zu wenig auf Details beharrt und ungenaue Äusserungen nicht zu präzisieren versucht. Daher war klar, dass auch nach diesem Sprint die Stadt noch nicht wirklich funktionierte.
Auch in den Teams musste an der Zusammenarbeit gefeilt werden. Schon nach den ersten Sprints war klar, dass die ursprünglich zugedachten Rollen nicht strikte getrennt werden konnten und jedes Teammitglied jede Arbeit verrichtete, die zu tun war. Dadurch wurden alle Teams viel schneller.
Fantasie und Schabernack
Je mehr Sprints die Teams absolviert hatten, umso fantasievoller wurden die Ergebnisse. Arbeiteten fast alle Teams zu Beginn mit Post-its und sonstigen Platzhaltern (Prototypen halt), wurden zum Schluss auch Knetmasse, Falttechniken, Kleber und Scherenschnitte eingesetzt.
Jedenfalls entstand im Treppenhaus nach einem hektischen, lustigen und lehrreichen Nachmittag so etwas wie DIE mittelalterliche Stadt mit Marktplatz, Kathedrale, Spital, Landwirtschaft, Gefängnis, vielen Papier- und Knetmännchen, Fluss, Brücke, Strassen, Kasperlitheater und Bordell.